ZDF-Doku „Inside CDU“ verrät einiges über Friedrich Merz und die Union (2025)

„Wo haben wir das bessere Ergebnis, bei ZDF oder ARD?“, fragt Friedrich Merz. Markus Söder weiß es: Die Union liegt in den Prognosen am Abend der Bundestagswahl auf beiden Kanälen gleich – bei weniger als 29 Prozent. Am Ende werden es 28,5 Prozent sein. Da kommt bei den Unionsspitzen, die in Merz’ Büro vor dem Bildschirm sitzen, kein großer Jubel auf. Der Applaus im engsten Wahlkampfteam ist eher verhalten. Doch das zählt jetzt nicht. Friedrich Merz muss vor die Kameras und vor seine Leute, um den Wahlsieg zu verkaufen. Mit der „Zuversicht“, von der er gerne spricht, darf es nicht vorbei sein. Denn am Tag darauf, das weiß der künftige Bundeskanzler, muss er „den Hebel umlegen“ und mit einem der politischen Gegner eine Koalition schmieden.

„Autsch“ ist der fünfte Teil der Dokumentation von Steffen Haug und Denise Jacobs betitelt, die das ZDF in seiner Mediathek vorhält und in gekürzter Form am Dienstag ins Programm nimmt. „Autsch“ ist ein wenig zu flapsig und wird der ernst zu nehmenden Knochenarbeit, die die beiden Journalisten leisten, nicht gerecht.

Von dem Tag an, an dem die Ampelkoalition im vergangenen November zerbrach, bis nach dem Wahltag folgen sie Friedrich Merz und dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf Schritt und Tritt. Sie begleiten die Abgeordneten Christiane Schenderlein, Catarina dos Santos und Philipp Amthor. Sie zeigen, wie mühsam, kräftezehrend und undankbar der Wahlkampf ist. Sie spielen Mäuschen in Strategiesitzungen, hören so manches Wort mit, das nicht für Aufzeichnung gedacht war (und bringen es – ganz witzig – in Untertiteln), lassen journalistische Beobachter zu Wort kommen, finden zu einer überzeugenden Dramaturgie und geben Einblicke, die den Titel „Inside CDU“ tatsächlich rechtfertigen. So etwas sieht man sonst im deutschen Fernsehen vom Meister der Langzeitbeobachtung, Stephan Lamby.

Gegen die Übermacht der AfD

Aufschlussreich ist zum Beispiel, wie direkt sich Linnemann äußert, von dem wir inzwischen wissen, dass ihm die Koalitionsvereinbarung und der Ministerpostenschacher mit der SPD den Rest gegeben haben. Man merkt, wie motiviert und dann frustriert Linnemann ist. Als ihn am Wahltag nachmittags jemand anrief und ihm sagte, die Union liege in den Prognosen unter 30 Prozent, da habe ihm das „wirklich den Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt er. „Wir waren der Wahlsieger, aber wir hatten mehr erhofft.“ Es habe ihn „immer selber aufgeregt, wenn die Generalsekretäre der Parteien etwas schöngeredet haben“. Der Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen seien „die schwerste Zeit“ seines „politischen Lebens“ gewesen. Nach der Wahl wäre er „am liebsten abgehauen, einfach mal zwei Wochen nach Mallorca, Luft holen und das Handy wegwerfen. Ging nicht. Du musstest funktionieren.“

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Funktionieren mussten auch Christiane Schenderlein, Catarina dos Santos und Philipp Amthor. Dos Santos und Amthor kämpfen um junge Wähler. Gerade Amthor muss sich mit den Anfeindungen von Links auseinandersetzen, mit der hetzerischen Verteufelung der CDU als brandmauereinreißende Nazipartei. Christiane Schenderlein kämpft in ihrem Wahlkreis Nordsachsen gegen die Übermacht der AfD (die dort einen Erststimmenanteil von mehr als 43 Prozent erringt), klebt Plakate selbst, besucht ein Altenstift, steht beim Metzger hinter der Theke und ist Angriffen von rechts ausgesetzt.

Eine falsche Entscheidung

Markus Söder sehen wir in „Inside CDU“ als potentiellen Partycrasher, der seine Lust an der Provokation (in den eigenen Reihen) und seine Fundamentalkritik an den Grünen zügeln muss, für die es allerdings einen Grund gibt, der in der öffentlichen Wahrnehmung unterbelichtet bleibt. Er sieht, wie erfolgreich die AfD mit ihrer Positionierung gegen die Grünen ist. An wen verliert die Union Stimmen? Nicht an die Grünen oder die SPD, sondern an die AfD, hören wir ihn im Hintergrund (und nicht für die Mikros bestimmt) sagen. Auch die strategische Fehlentscheidung von Friedrich Merz, im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik einzubringen, dem die AfD zustimmt und sich vor Johlen gar nicht mehr einbekommt – „noch schlimmer, als ich befürchtet hatte“, sagt Merz konsterniert –, erscheint in einem differenzierten Licht.

Sein engster Umkreis habe ihm zuvor bedeutet, dass er einen schweren Fehler begehe, hören wir. Zugleich gab es die Befürchtung, die AfD würde das Thema nach dem Attentat von Aschaffenburg, bei dem ein aus Afghanistan stammender Täter zwei Menschen erstochen hat, darunter einen zwei Jahre alten Jungen, an sich reißen und einen Antrag stellen, der Positionen der Union abbildete. Wie hätten sich CDU und CSU dann verhalten? Wie kommt man aus einem solchen Dilemma heraus? Gar nicht. Linnemann hätte am liebsten die ganze Sitzungswoche verhindert, wie er im Nachhinein bekundet.

Und dann ist am Tag nach der Wahl, wie zu erwarten, alles anders. Statt der Schuldenbremse kommen Rekordschulden für das Militär und die Infrastruktur. Auf Letzteres hätte Merz, wie er in der Dokumentation sagt, verzichten können. Doch habe ihn das Argument überzeugt, dass man nicht nur etwas fürs Militär, sondern auch etwas für die Bevölkerung tun müsse. „Wenn wir das schon machen, machen wir es auch richtig“, sagt Merz, verfällt kurz in den Merkelstil (von dem wir hoffen, dass er ihn sich nicht aneignet), gibt dann aber zu: „Ich persönlich bezahle das mit einem erheblichen Verlust auch an Glaubwürdigkeit.“ Im „Abstand von einigen Jahren“ würden vielleicht auch diejenigen, die heute verständlicherweise Kritik übten, sagen: „Es war eine richtige Entscheidung.“ Eine falsche Entscheidung des ZDF ist es, die zweieinhalb Stunden „Inside CDU“ fürs Hauptprogramm auf 43 Minuten einzudampfen.

„Inside CDU“ läuft in fünf Teilen in der Mediathek, in Kurzform am Dienstag um 20.15 Uhr im ZDF.

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